Statik von Unterschränken

Immer wieder werden Unterschränke für andere Becken als vorgesehen verwendet. Das funktioniert in den allermeisten Fällen, weil die Unterschränke relativ stabil gebaut sind und die meisten Anwender zumindest in etwa abschätzen können, was da gemacht wird.

Hin und wieder geht es aber auch schief, da die Statik zu schätzen immer ihre Tücken hat und manche Hersteller von Unterschränken bei der Konstruktion dem Kostendruck nachgeben. Dann wird das Minimum was nötig ist gemacht. Dies kann dann bei alternativer Nutzung zu Problemen führen.

Kallax-Regale

Andererseits verwenden gerade viele Garnelenzüchter Regale eines schwedischen Möbelhaus, also Kallax-Regale von IKEA, die nur für eine Belastbarkeit bis zu 13kg pro Regalfach ausgelegt sind. Die Oberseite darf je nach Art des Regals mit maximal bis zu 25kg belastet werden. Hier noch der Hinweis, dass diese Angaben Ende Januar 2023 gelten. IKEA kann dies jederzeit ändern. Das es funktionieren kann, durfte ich schon selbst in Augenschein nehmen. Warum aber funktioniert das, obwohl die Becken, die dort eingesetzt werden mit Inhalt ca. 28 bis 32kg wiegen? Also mehr als das Doppelte der vom Hersteller erlaubten Belastung.

Ausschnitt eines großen Kallax-Regals mit insgesamt 12 Regalbecken und 2 Größeren oben

Grundsätzlich sollte man bei Kallax-Regalen schon mal wissen, dass der Rahmen aus dünnen Span- und Hartfaserplatten besteht, die dazwischen eine Papierfüllung in Wabenstruktur haben. Dies führt zu dem geringen Gewicht des Regals bei gleichzeitig relativ guter Belastbarkeit. Aber natürlich, ist eine Papierfüllung enorm empfindlich gegenüber Feuchtigkeit. Das macht eine Nutzung als Aquarienregal etwas gefährlich. Selbstverständlich kann man die Fugen usw. mit Silikon abdichten, aber ein Restrisiko bei austretender Feuchtigkeit bleibt. Wer also solche Regale im Einsatz hat, sollte darauf besonders achten und bei sichtbaren Aufquellungen des Regals dieses aussortieren, zumindest für Aquarien.

Es gibt viele Anbieter die für die beliebten Kallax-Regale weitere Zubehörteile verkaufen. Das sind nicht nur Aquarien, sondern z.B. auch Kissenaufsätze um die Regale als Sitzbank zu nutzen. Zwei Sitzplätze auf einem Kallax dürfte deutlich mehr als die 25kg Maximallast bedeuten die IKEA angibt. Und tatsächlich liegt die reale Belastbarkeit in Tests bei diesen Regalen deutlich höher. IKEA garantiert aber halt nur die geringen Gewichte und ist so bei Schadensfällen durch Überlastung schnell raus aus der Gewährleistung. Sollte es also zusammenbrechen und das Wasser der Aquarien die Wohnung fluten, kann man sich den Anruf bei IKEA sparen.

Bei YouTube gibt es ein Video wo ein solches Regal mit über 1000kg belastet wurde.

Externer Link: Kallax Tagfähigkeitstest von Tobis Aquaristikexzesse


Ganz korrekt sind die Aussagen in dem Video nicht, denn als maximale Belastung von oben gibt IKEA 25kg an und nicht 52kg. Das zeigt aber nur, dass die reale Belastbarkeit des Regals gegenüber der Angabe noch höher ist. Das ist schon enorm beeindruckend, was diese Regale tragen können. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es in erster Linie nur gepresstes Papier ist.

Auch dazu mal ein Video mit der Meinung von Joachim Mundt:

Externer Link: Meinung zu Kallax-Regalen als Unterschrank

Auch die Regalböden tragen offensichtlich mehr als IKEA angibt. Zumindest wenn man die komplette Breite des Fachs nutzt. Würden jetzt schmalere Becken in das Regal gestellt, die nicht über die komplette Fachbreite gehen, dürfte eine Durchbiegung der einzelnen Regalbretter auftreten. Die genau passenden Aquarien sorgen dafür, dass die Belastung quasi hauptsächlich direkt an den hochkanten Streben des Regals abgeleitet werden. Das liegt an der Konstruktion eines Aquariums und der hohen Steifigkeit von Glas.

Fall A: ungünstige Belastung Fall B: Ideale Belastung

Auf dieser Zeichnung symbolisieren die schwarzen Pfeile die wirkende Kraft. Das Gewicht der Aquarienfüllung lastet auf der Bodenscheibe. Diese ist relativ steif und wird durch die Längs- und Seitenscheiben weiter versteift. Dadurch wird die größte Belastung auf die Seitenscheiben gelenkt. Da diese in Fall B direkt an den senkrechten Streben liegen, wird diese Belastung dort direkt abgeleitet. Das belastete Brett kann sich nicht durchbiegen, da es über die komplette Fläche Kontakt hat und die Belastung direkt abgeleitet wird. Natürlich kann man aber das Brett trotzdem über seine Grenze hinweg belasten. Die Frage ist nur, bei welcher Last es bricht. Man kann das sicherlich berechnen, wenn man alle Parameter kennt, aber das ist mir zu ungewiss.

In Fall A wirkt die Hauptlast nach unten auch auf den Seitenscheiben, da die Konstruktion des Aquariums sich nur unwesentlich geändert hat. Jetzt aber kann die Kraft nicht direkt abgeleitet werden und das dünne Regalbrett muss die Last erstmal alleine verdauen. Das führt dazu, dass das Brett beginnt sich durchzubiegen. Da die Flexibilität des Bretts begrenzt ist, wird es sich in der Mitte weiter durchbiegen und quasi nur noch an den Seitenscheiben Kontakt zum Aquarium haben. Je höher das Gewicht desto höher die Durchbiegung, bis zum Bruch des Bretts. Der Faktor Zeit darf hierbei allerdings nicht vergessen werden. Mit zunehmender Alterung steigt die Wahrscheinlichkeit des Bruchs deutlich an.

Bei den Kallax-Aquarien sind diese ja passgenau für die Fächer angefertigt, um diese Durchbiegung zu vermeiden. Wie gesagt, gibt es zahlreiche Züchter die solche Regale einsetzen. Bei 12 Becken wird das gesamte Regal immerhin mit ca. 350kg belastet. Und wie auf dem Foto oben zu erkennen, funktioniert es gut. In dem Beispiel schon gut 2 Jahre. Es sieht auch wirklich super aus und das Regal ist absolut preiswert. Trotzdem rate ich dringend von solchen Regalen ab. Das Problem mit der Feuchtigkeit macht die Sache schon spannend. Jeder Handwerker kennt den Spruch “Wasser sucht sich seinen Weg”.

Und zusätzlich kommt die Alterung hinzu. Trägt dieses Regal auch nach 10 Jahren noch diese Last? Ich weiß es nicht und eine Garantie dazu bekommt man wohl von niemandem.

Und im Schadensfall wird es richtig haarig. Bei 12 Aquarien mit ca. 22 Litern Wasserinhalt kommen da insgesamt ca. 260 Liter Wasser zusammen. Diese Menge richtet einen immensen Schaden an. Und ob eure Versicherung dann zahlt, bleibt abzuwarten. Zum einen sind oft in den Klauseln Bedingungen versteckt, bei denen zu viele Aquarien ausgeschlossen sind. Zum Anderen betreibt man die Aquarien in dem Regal entgegen der bestimmungsgemäßen Verwendung des Herstellers. Wird das als grob fahrlässig angesehen zahlt die Versicherung auch nicht.

Von daher gesehen würde ich das Risiko definitiv nicht eingehen. Die wirklich schönen Aquarien für die Regale kann man wunderbar in ein entsprechendes Alu-Steckregal einbauen. Auch ein Eigenbau aus stabilerem massiven Holz ist nicht schwierig, allerdings wahrscheinlich auch etwas teurer.

Unterschrank für zwei kleinere Aquarien nutzen

Einfache Unterschränke sind so aufgebaut, dass die Seitenbretter die Hauptlastaufnehmen.

Durch die Beckenkonstruktion wird die Hauptlast auf die Seiten abgeleitet und wirkt hauptsächlich auf die senkrechten Seitenbretter. Hin und wieder wird aber etwas Abwechslung gewünscht und das große Becken soll plötzlich gegen zwei kleinere getauscht werden.

Beispielsweise ein 160 Liter (100*40*40cm) gegen zwei 70 Liter (50*39*36cm) Becken. Die meisten werden jetzt denken, der Schrank hat vorher mehr Gewicht getragen als zukünftig. Das muss funktionieren. Aber hier sollte man vorsichtig sein. Die Belastung ist doch gänzlich anders und kann tatsächlich schief gehen.

Die Last wird jetzt nicht mehr komplett auf die beiden Seitenscheiben links und rechts verteilt, sondern auch auf die Mitte. Da dort keine feste Verbindung zwischen den Aquarien existiert, wirkt ein Teil der Hauptlast mittig auf das Auflagebrett des Schranks. Da dieser für diese Belastung aber nicht konstruiert ist, kann es zu einer Durchbiegung kommen, wenn das Auflagebrett nicht besonders massiv ausgelegt ist. Durch die Biegung wird die Belastung zudem in der Mitte noch größer.

Viele Unterschrankproduzenten bauen allerdings oft ein mittragendes Mittelbrett ein, dass den Unterschrank in zwei Schrankfächer teilt. In dem Fall ist normalerweise auch die Belastung in der Mitte sicher abgeleitet.

Fazit

Die Nutzung von nicht dafür ausgelegten Möbeln als Unterschrank, oder eine andere Nutzung von Unterschränken als für den ausgelegten Zweck ist nicht ohne Risiko. Vieles ist durchaus möglich oder machbar, aber es sollte immer gut überlegt sein. Bei jedem Schrank muss man sich alles gut anschauen und bewerten. Es sind immer Einzelfälle. Ein Wasserschaden ist kein Vergnügen und daher würde ich immer eher 200%ig sicher sein wollen.

Spätestens wenn Durchbiegungen zu sehen sind oder aufgequollene Bretter sollte man handeln. Eine Durchbiegung ist eine Überlastung. Und eine Überlastung geht irgendwann schief.
Aufgequollene Bretter verlieren einen Teil ihrer Stabilität. Je nach Art des Bretts kann das kein großes Problem sein oder halt doch zur Katastrophe führen. Ich rate wirklich zur Vorsicht. Man spielt ja nicht nur mit dem materiellen Schaden, sondern auch mit dem Leben der Bewohner.